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Bordeaux 2024: Ein kontroverser Jahrgang voller Überraschungen

Mit dem Start der diesjährigen En-Primeur-Kampagne blicke ich auf eine der aufregendsten Wochen meiner Weingeschichte zurück: Einerseits hat mit meiner Rückkehr aus dem Bordelais die Arrivage des Jahrhundertjahrgangs 2022 begonnen, andererseits hat der Bordeaux Jahrgang 2024 nicht nur leidenschaftliche Diskussionen entfacht, sondern hält auch so manche Überraschung bereit. Dabei geht es nicht nur um das herausfordernde Klima für die Winzerteams, sondern auch um das politische Abenteuer mancher Weinkritiker sowie die Herausforderungen, vor denen passionierte Weinliebhaber nun stehen.

Wie ich schon in meinem Vorbericht zu meiner Bordeaux-Reise geschrieben habe, zählt das Jahr 2024 sicher nicht zu den großen Jahrgängen wie 2019, 2020 oder 2022. Doch gerade in solchen Jahren zeigt sich, warum in Bordeaux exzellente Weine entstehen, wenn Talent, Erfahrung und Mut zusammenkommen. Gespräche wie mit der Winzerlegende François Mitjavile von Château Tertre-Rôtebœuf haben mir deutlich gemacht, dass es beim Weinmachen nicht um Spekulation geht, sondern darum, das Unvorhersehbare zu meistern und zugleich charaktervolle Trinkweine zu schaffen – dafür gebührt den Winzern mein Dank.

Nach sieben Tagen vor Ort in Bordeaux, über 250 dokumentierten Verkostungen und zahlreichen Gesprächen blicke ich immer noch voller Freude auf einen kontroversen Jahrgang zurück, der uns Weinliebhaber in den nächsten Jahren noch beschäftigen und auf so mancher Verkostung positiv überraschen wird. Was mich da so sicher macht, möchte ich Dir gerne in diesem Artikel erklären und Dich an meinen gesammelten Erfahrungen teilhaben lassen. Außerdem versuche ich, Dir einen Überblick darüber zu geben, was Du vom Bordeaux-Jahrgang 2024 erwarten kannst – und welche meine Top-10-Weine der jeweiligen Appellationen sind.

Moderne Landwirtschaft macht Bordeaux 2024 zu einem spannenden Jahrgang

Bereits vor meiner Reise nach Bordeaux hatte die Fachpresse und einige meiner Kollegen den Jahrgang 2024 abgeschrieben, da die klimatischen Bedingungen alles andere als vielversprechend waren. Nach meiner Rückkehr bin ich jedoch mehr als froh, vor Ort gewesen zu sein. Der Austausch mit Édouard Moueix von Château Bélair-Monange und Éric Kohler, dem technischen Direktor von Château Lafite-Rothschild, hat mir nicht nur verdeutlicht, wie herausfordernd das Jahr war, sondern auch, wie faszinierend sich einige Weine in Zukunft präsentieren werden.

Aus Sicht eines passionierten Weinliebhabers mag der Blick aufs Wetterbarometer wenig spannend erscheinen, doch gerade in diesem Jahr spielen Niederschlag und Terroir eine entscheidende Rolle. Bereits in meinem Vorbericht bin ich auf die Wetterextreme eingegangen: Der frühe und zugleich hohe Mehltaudruck sowie die ungleichmäßige Blüte haben den Verlauf der Saison maßgeblich geprägt. Zwar sind die Winzer in Bordeaux führend im Umgang mit Mehltau, doch schon zu Jahresbeginn war absehbar, dass 2024 ein ausgesprochen heterogener Jahrgang werden würde.

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Grund hierfür war der hohe Niederschlag. Er zwang die Weinbergteams, oft auch an Sonn- und Feiertagen im Einsatz zu sein. Gleichzeitig erschwerte er die Blüte (Floraison) und beeinträchtigte die Befruchtung, sodass es zu einer ungleichmäßigen Traubenbildung (Millerandage) kam. Zwar ermöglichte der warme, trockene Sommer eine ausreichende Reifezeit, doch zur Lese standen die Winzer erneut vor einem enormen Sortieraufwand, um Weine zu erzeugen, die deutlich besser ausfielen, als viele erwartet hatten.

Besonders kleinere Weingüter ohne entsprechendes Personal, Budget oder technische Ausstattung hatten es schwer. Château Beau-Séjour Bécot hingegen investierte zum Beispiel mehrere zehntausend Euro pro Tag in modernste Technik. „A density sorting table is a right bank thing“, hieß es hingegen am linken Ufer. Gemeint war damit die densimetrische Sortierung, die neben der optimetrischen Sortierung in diesem Jahr vermehrt zum Einsatz kam. Unreife Trauben, die äußerlich voll ausgereift wirkten, enthielten oft nicht genug Zucker, um hochwertige Weine zu garantieren.

Nur dank dieser rigorosen Selektion konnten – zum Teil – echte Spitzenweine entstehen, die sich durch relativ niedrige Alkoholgrade, fein strukturierte Tannine und eine frische sowie klare Aromatik auszeichnen. Aber was kannst Du nun vom Bordeaux Jahrgang 2024 erwarten?

Beeindruckende Weißweine und das Potenzial auf den zweiten Schluck

Der Bordeaux Jahrgang 2024 präsentierte sich bei meiner Degustation sehr heterogen. Gerade in einem Jahr wie diesen wurden im Weinberg und Weinkeller keine Fehler verziehen. Zwar haben einige Weingüter in Sachen Extraktion und Holz zu viel gewollt, andererseits haben sich viele der von mir verkostete Weine bereits zum Zeitpunkt meiner Degustation als zugänglich und ausbalanciert präsentiert.

Mit Sicherheit mag meine Aussage über die frühe Zugänglichkeit der En Primeur-Weine den einen oder anderen Bordeaux-Liebhaber abschrecken, doch das Klischee von mindestens 15 Jahren Lagerung dürfte dank moderner Weinbereitung mehr und mehr der Vergangenheit angehören. Entscheidend ist doch, dass dies keine Auswirkungen auf die Lagerfähigkeit hat. Und wer sagt schon, dass der Geschmack eines Robert Parker für alle Ewigkeit als universeller Maßstab für Qualität gelten muss? *augenzwinker*

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Genug der Polemik – weiter geht es mit dem Charakter dieses Jahrgangs. Insgesamt ist Bordeaux 2024 in der Spitze von einer fruchtigen Frische geprägt, die von einer guten Säurestruktur und feinen, ausbalancierten Tanninen begleitet wird – und das bei einem beachtlichen Alterungspotenzial.

Während ich zu Beginn der Woche die Fassmuster zu hastig bewertet habe, stellte ich – ähnlich wie David Allen – im Laufe der Zeit fest, dass sie einiges an Zeit benötigten, um ihre volle Aromatik im Glas und ihre Struktur am Gaumen zu entfalten. Glücklicherweise kommt Jana, meine Partnerin, mit weniger Wein im Glas aus, sodass bei meinem zweiten Schluck das Potenzial der Weine deutlich besser zur Geltung kam.

Am Ende der Woche musste ich resümierend feststellen, dass mir in diesem Jahr vor allem die Weißweine – insbesondere der auf Kalksteinboden gereifte Sémillon – aufgrund seiner bestechenden Kombination aus Tiefe und knackiger Frische am meisten gefallen haben. Die Rotweine hingegen können zwar mit kräftigen Jahrgängen wie 2019, 2020 und 2022 im Mittelmund nicht ganz mithalten, doch durch die massive Auslese und die extrem schonende Vergärung sind aromatische Weine mit niedrigen Alkoholwerten entstanden, die sich ideal für den frühen Trinkgenuss eignen.

Die klassische Stilistik der 1980er-Jahre, verbunden mit deutlich mehr Präzision, frischer Eleganz und attraktiven Preisen, macht den Bordeaux Jahrgang 2024 besonders spannend – sowohl für Neulinge als auch für Liebhaber, die einfach gerne Bordeaux trinken.

Meine Top-10-Weine des Bordeaux Jahrgang 2024 nach Appellationen

Abschließend würde ich den Bordeaux Jahrgang 2024 als guten bis – zum Teil – sehr guten Jahrgang einstufen, der sich nicht als langfristiger Spekulations- oder Investitionsjahrgang eignet, sondern zum Trinken gemacht ist. Mit immensem Aufwand sind außergewöhnliche Weine in teilweise sehr kleinen Raritätenmengen entstanden. Nachfolgend liste ich Dir meine Top-10-Weine jeder Appellation auf – Weine, mit denen Du garantiert nichts falsch machst.

Pessac-Léognan und Graves

95 – Château Les Carmes Haut-Brion
95 – Château Haut-Brion
95 – Château Haut-Brion Blanc
95 – Château La Mission Haut-Brion
94 – Château La Mission Haut-Brion Blanc
94 – Château Haut-Bailly
93 – Château Smith Haut Lafite
93 – Château Pape-Clément Blanc
93 – Domaine de Chevalier Blanc
92 – Château Malartic-Lagravière

Saint-Émilion

95 – Château Troplong Mondot
95 – Château Bélair-Monage
95 – Château Cheval Blanc
95 – Château Figeac
95 – Château Beau-Séjour Bécot
95 – Château Tertre-Rotebouef
94-95 – Château Ausone
94-95 – Château Canon
94 – Château Angélus
94 – Château Beauséjour Duffau-Lagarrosse

Pomerol

96 – Château La Conseillante
95 – Château Trotanoy
95 – Château L’Église Clinet
94 – Château La Fleur-Pétrus
94 – Château L’Evangile
94 – Vieux Château Certan
93 – Château Certan de May
93 – Château Latour à Pomerol
93 – Château Nénin
92 – Château Bourgneuf

Haut-Médoc, Listrac-Médoc und Moulis-en-Médoc

92 – Château La Lagune
92 – Château Sociando-Mallet
92 – Château Lafon-Rochet
91 – Château Poujeaux
91 – Château Potensac
90 – Château Mauvesin Barton
90 – Château La Tour Carnet
89 – Château Beaumont
89 – Château Belgrave
89 – Château Maucaillou

Margaux

95 – Pavillon Blanc du Château Margaux
94-95 – Château Palmer
94 – Château Margaux
93 – Château Giscours
93 – Château Lascombes
93 – Château Rauzan-Segla
92 – Château Malescot Saint Exupéry
92 – Château Prieuré-Lichine
92 – Château d’Issan
92 – Château Brane-Cantenac

Saint-Julien

94 – Château Léoville Las Cases
93 – Château Gruaud-Larose
93 – Château Léoville Poyferré
93 – Château Léoville Barton
92 – Château Ducru-Beaucaillou
92 – Château Saint-Pierre
92 – Château Beychevelle
92 – Château Langoa Barton
92 – Château Lagrange
92 – Clos du Marquis

Pauillac

95 – Château Lafite-Rothschild
95 – Château Pontet-Canet
94-95 – Château Mouton Rothschild
93-94 – Château Pichon-Longueville-Baron
93-94 – Château Pichon-Longueville Comtesse de Lalande
93 – Château Duhart-Milon
93 – Château Clerc Milon
93 – Blanc de Lynch-Bages
92-93 – Le Petit Mouton de Mouton Rothschild
92 – Carruades de Lafite

Saint-Estèphe

95-96 – Château Montrose
94-95 – Château Calon Ségur
94 – Château Cos d’Estournel Blanc
93-94 – Terrasse III de Montrose
93 – Pagodes de Cos Blanc
93 – Château Cos d’Estournel
92-93 – Château Phélan Ségur
92 – La Dame de Montrose
92 – Château Ormes de Pez
91 – Château de Pez

Sauternes und Barsac

95-96 – Château Suduiraut
95 – Château Doisy Daëne
95 – Château La Tour Blanche
94 – Château Rieussec
93 – Château Suduiraut Vieilles Vignes Grand Vin Blanc Sec

© Titelbild/Bilder: Kim-Christopher Granz, SelteneWeine.de

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